20. Juli 2022: Andreas Zumach – "Give peace a Chance"

Seit dem 22. Februar 2022 tobt der Krieg in der Ukraine. Auf Befehl von Wladimir Putin griff die russische Armee völkerrechtswidrig das Nachbarland an. Seitdem ist vielen Menschen sehr viel Leid zugestoßen, es sind viele Tote zu beklagen und zahlreiche Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, sind aus der Ukraine geflohen. Sie haben auch in Idstein Aufnahme gefunden.

Für das „Idsteiner Friedensbündnis“ steht die Frage im Raum, was unternommen werden kann, um diesen unsäglichen Krieg zu beenden.

Das Friedensbündnis lud deshalb unter Überschrift „Give Peace a Chance“ gemeinsam mit „pax christi Rhein-Main“  zu einer interessanten und informativen Veranstaltung mit Andreas Zumach in den Kulturbahnhof in Idstein ein.

Was kann getan werden, um zumindest einen Waffenstillstand zu erreichen und das Töten zu beenden? Wie sind die Waffenlieferungen Deutschlands und anderer Nationen an die Ukraine und das beschlossene Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr zu bewerten? Was soll damit erreicht werden? Wie wirken sich die Wirtschaftssanktionen aus und wen treffen sie? Tragen auch die NATO und die EU eine Verantwortung an dieser Eskalation und was wäre hieraus für die Zukunft zu lernen?

Welche Schritte können nach einem Waffenstillstand unternommen werden, um einen Weg zu finden, eine langfristig stabile europäische Friedensordnung zu ermöglichen? Wie kann überhaupt die notwendige Kooperation bei der Bekämpfung der Klimaerhitzung wieder in Gang gebracht werden? Welche gewaltfreien und diplomatischen Mittel könnten dabei helfen?

Solche und ähnliche Fragen treiben viele Menschen um. Die Veranstaltung sollte dazu dienen, etwas mehr Klarheit über die verschiedenen politischen Perspektiven zu erhalten und Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, die, auch aus eigenem Interesse und im Interesse ihrer Nachfahren, über den Tag hinaus an einer Zukunft in Frieden und Gerechtigkeit interessiert sind.

Mit Andreas Zumach, Buchautor und früherer UN-Korrespondent in Genf für die Berliner Tageszeitung und weitere deutsche und schweizerische Publikationen, war ein außerordentlich sachkompetenter Referent gewonnen worden.

Zumach stellte seine Einschätzung der aktuellen Situation und der Möglichkeiten für eine europäische Friedensordnung vor.

 

 

Bericht der Idsteiner Zeitung

Idsteiner Zeitung: Donnerstag, 23.06.2022

Mit 100 Milliarden Euro konfrontative Zukunft festgelegt

Der Journalist Andreas Zumach gab im Idsteiner Kulturbahnhof seine Einschätzung zur aktuellen Situation in der Ukraine und stellte sich den Fragen des Publikums.

IDSTEIN - „Klimawandel, Hungersnöte und jetzt auch noch der völkerrechtswidrige Überfall der Ukraine – ohne weltweite Kooperation werden wir die Probleme nicht lösen“, konstatiert Thomas Meinhardt, der Vorstandsvorsitzende von Pax Christi. „Wie lange wird der Krieg in der Ukraine noch dauern?“, fragt er direkt den früheren UN-Korrespondenten der TAZ Andreas Zumach. Der Experte für internationale Beziehungen und Konflikte macht im Idsteiner Kulturbahnhof zunächst deutlich, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen könne. Dazu sei Russlands militärische Überlegenheit zu groß und könne auch mit Waffenlieferungen aus dem Westen nicht ausgeglichen werden. Insofern sieht er nur vier Szenarien für ein Ende der Auseinandersetzungen:

1. Es werde irgendwann ein militärischer Ermüdungspakt geschlossen. 2. Man einige sich auf die russische Oberhoheit über die Gebiete der Donbassrepubliken, eines Gürtels an der Küste sowie der Krim, was wahrscheinlich nun das von Putin angestrebte Minimalziel sei. 3. China entscheide sich wegen Wirtschaftsinteressen für die Seite des Westens und stoppe damit Russland. 4. Nach einem langen Krieg siege Russland und besetze die gesamte Ukraine. Der Konflikt bliebe wegen Widerstands und Unruhen sehr lange bestehen.

Wichtig seien konsequente Wirtschaftssanktionen und ein vollständiges Embargo von Energielieferungen, trotz der Gefahr von Rezession, Arbeitslosigkeit sowie Energieknappheit und -verteuerung, führt der Referent aus. Auf den Einwand aus dem Publikum, Putin habe doch schon längst alternative Abnehmer, antwortet er: „Längerfristig zahlen die aber nicht die guten Preise wie der Westen.“

„Putin wird sich nicht bis 2036 halten können“, prognostiziert Zumach. Sobald der russischen Bevölkerung das Ausmaß der Opfer bewusst werde, werde seine Macht implodieren. „Gibt es wirklich keine Alternative zu immer mehr Waffen und zur Eskalation der Gewalt?“, fragen die Veranstalter. Unter dem Motto „Give peace a chance – trotz Putins Angriffskrieg“ haben das Idsteiner Friedensbündnis und die internationale Friedensbewegung Pax Christi Rhein-Main zu dieser Veranstaltung eingeladen. Viele Menschen hielten die Friedensbewegung ja heute für naiv und gescheitert angesichts der Kriegsverbrechen in der Ukraine.

Für einen ideologischen Kampfbegriff hält Zumach die Bezeichnung „Zeitenwende“. Damit werfe man alles über Bord, was man die vergangenen 30 Jahre erreicht habe, und beame sich zurück in die Hochzeit des Kalten Kriegs. Er könne nichts Falsches erkennen an den Bemühungen der Vergangenheit um Rüstungskontrolle, Menschenrechte und wirtschaftliche Beziehungen. Mit dem zusätzlichen Etat von 100 Milliarden Euro habe man die konfrontative Zukunft festgelegt. Das „Sondervermögen“ sei kein Vermögen, sondern eine zusätzliche Verschuldung. Damit breche man mit bewährtem Haushaltsrecht. Noch nicht mal Mittel für Cyberabwehr und Krisenprävention seien darin enthalten.

„Was kann die Friedensbewegung noch tun?“, fragt eine Zuhörerin. Zumachs Antwort ist klar: „Mit den Mitmenschen über diese Widersprüche reden, menschliche und gesellschaftliche Beziehungen zu Ukrainern und Russen pflegen, um Verfeindungen entgegenzuwirken, ukrainische und russische Künstler unterstützen und schließlich, sich nicht emotionalisieren lassen, sondern sachlich bleiben.“ Auch über einen Steuerboykott könne man nachdenken. Wie schwer das friedliche Miteinander auch im Kleinen sein kann, zeigt sich am Schluss der Veranstaltung, als sich zwei Zuhörer wegen ihrer unterschiedlichen Auffassungen fast in die Haare kriegen.

Von Patricia Bastian-Geib

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